Kunstschränke

Autoren: Dr. Georg Himmelheber, Redaktion

Stand/Quelle/Datum: 29.4.2014

  • Augsburger Kunstschränke sind reich verzierte, bis zu eineinhalb Meter hohe Schreine, die ohne eigenes Fußgestell auf einem Tisch allseitig sichtbar aufgestellt waren. Ihre architektonisch mit Säulchen, Ädikulen und Figurennischen üppig ausgestalteten Fassaden enthalten Türchen, Züge und Klappen, hinter denen sich zahlreiche Schubladen und Fächer verbergen, die ihrerseits wieder aufs schönste und kostbarste verziert sind. Alle nur denkbaren Materialien wurden zu ihrer Ausgestaltung verwendet, nicht nur kostbare Hölzer (vorwiegend Ebenholz) und die verschiedensten edlen und unedlen Metalle, sondern auch Halbedelsteine, Elfenbein, Perlmutt, Schildpatt, Email, Glas, Leder und Seide. Fester Bestandteil des Ganzen ist der Inhalt der Laden und Fächer: Mineralien, Fossilien, Kleinkunstwerke, astronomische und mathematische Geräte, verkleinertes Werkzeug der verschiedensten Gewerbe, Schreibgeräte, Musikinstrumente und Spiele, aber auch Geräte zur Körperpflege und für die Gesundheit. Möbel und Inhalt sind eine Einheit; das Ganze ist ein allegorisches Schaustück mit kosmologischem Programm und einem Sinngehalt, der demjenigen der gleichzeitigen fürstlichen Kunst- und Wunderkammern entspricht. Die Idee, derartige Museen im Kleinen herzustellen, stammt von dem Augsburger Kunstagenten Philipp Hainhofer der die Konzepte für den jeweiligen Inhalt und die Programme für die Fassaden entwarf, die (bis zu 30) Künstler und Handwerker aussuchte, zur Zusammenarbeit anhielt und finanzierte, und der sich schließlich um den Verkauf der Möbel bemühte. Der berühmteste Kunstschrank entstand 1610-1617 für den Herzog Philipp II. von Pommern (seit Ende des Zweiten Weltkriegs verschollen, Inhalt im Kunstgewerbemuseum Berlin); ein ähnliches Exemplar ließ Hainhofer 1619-1626 anfertigen, das in den Besitz des Großherzogs von Toskana gelangte (Florenz, Palazzo Pitti), einen weiteren Kunstschrank (1625-1631) schenkte die Stadt Augsburg 1632 König Gustav Adolf von Schweden (Uppsala, Universitätsmuseum), ein kleineres Exemplar (1625-1630) befindet sich im Rijksmuseum Amsterdam.

Literatur:

John Böttiger, Philipp Hainhofer und der Kunstschrank Gustav Adolfs in Upsala, 4 Bde., 1909-1910

Georg Himmelheber, Augsburger Kabinettschränke, in: Welt im Umbruch 2, 1980, 58-62

Der Briefwechsel zwischen Philipp Hainhofer und Herzog August d. J. von Braunschweig-Lüneburg, 1984

Dieter Alfter, Die Geschichte des Augsburger Kabinettschranks, 1986

Hans-Olof Boström, Philipp Hainhofer – seine Kunstkammer und seine Kunstschränke, in: Macrocosmos in microcosmo, 1994, 555-580

Ders., Ein wiederentdeckter Hainhofer-Schrank, in: Konsthistorisk tidskrift 64 (1995), 129-146

Ders., Det underbara skåpet. Philipp Hainhofer och Gustaf II Adolfs konstskåp, 2001

Barbara Mundt, Der Pommersche Kunstschrank des Augsburger Unternehmers Philipp Hainhofer für Herzog Philipp II. von Pommern, 2009

Wunderwelt - der Pommersche Kunstschrank, 2014.