Armenpflege

Autor: Peter Lengle

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Vorformen der Armenpflege finden sich in der Vita des heiligen Ulrich (Gerhard) und in Bischofstestamenten des 11. Jahrhunderts. Den Armen wurde zu bestimmten Festtagen und zu Jahrtagen Verstorbener Nahrung und Kleidung zuteil. War das erste Spital der Stadt bei Heilig Kreuz eine rein kirchliche Einrichtung, so zog sich die Kirche aus der Armenpflege seit dem 13. Jahrhundert stark zurück. Seitdem stiftete das Bürgertum Spitäler, Siechen- und Seelhäuser, über die die Stadt die Pflegschaft besaß. Neben der Fürsorge für bestehende oder der Einrichtung neuer Anstalten (Pilgerhaus) bemühte sich das Bürgertum, durch gezielte Natural- und Geldverteilungen, Kleider-, Ausbildungs- und Heiratslegate die größte Not zu lindern. Neben soziale Motive trat die Sorge um das eigene Seelenheil. Die meisten Stiftungen wurden von Pflegern überwacht, die für die meist regelmäßige Ausgabe zu sorgen hatten, wofür die Beschenkten im Gegenzug einer Messe für den Stifter beiwohnen sollten. Im 16. Jahrhundert wurde wie in vielen Städten die Armenpflege eine öffentliche Aufgabe, die der Rat über das 1522 gegründete Almosenamt erledigen ließ. Zentrale Verwaltung, Verordnungen für Bettler, die Fremde ausschlossen, Unterstützungen auf Zeit und der Versuch einer Sozialdisziplinierung der Unterschicht durch Erziehung zur Arbeit kennzeichnen die Armenpflege bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Zur Bewältigung der sozialen Frage reichten private und öffentliche Spenden im 19. Jahrhundert nicht mehr aus. Die Industrialisierung erforderte neue Regelungen, welche die staatliche Sozialgesetzgebung brachte.

Literatur:

Rolf Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter, 1971, 235-240

Jesko von Steynitz, Mittelalterliche Hospitäler der Orden und Städte als Einrichtungen der sozialen Sicherung, 1970

Claus Peter Clasen, Armenfürsorge in Augsburg vor dem Dreißigjährigen Krieg, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 78 (1984), 65-115

Robert Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge in deutschen Reichsstädten der Frühen Neuzeit, 1984

Peter Lengle, Spitäler, Stiftungen und Bruderschaften, in: Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, 21985, 202-208

Anita Obermeier, Findel- und Waisenkinder, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 83 (1990), 129-135

Susanne F. Eser, Verwaltet und verwahrt. Armenpolitik und Arme in Augsburg, 1996.