St. Stephan

Autoren: Theodor Rolle †, Redaktion

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • 1) Damenstift. Nach der Gründungsurkunde Bischof Ulrichs von 969 hatte eine Ellensind eine Zelle bei der Kirche St. Stephan vor der Bischofsstadt errichtet und Unterstützung durch die Familie des Archidiakons Amalrich erhalten. Ulrich gründete ein Kanonissenstift und bestellte Ellensind als erste Äbtissin. Die Kanonissen lebten nicht nach einer festen Regel, sondern nach Vorschriften (canones) der Kirche, die im Laufe der Zeit immer freizügiger gehandhabt wurden. Sie besaßen schließlich eigenes Vermögen, führten einen eigenen Haushalt und konnten, ausgenommen die Äbtissin, aus dem Konvent austreten und heiraten. Diese geistliche Lebensform entsprach den Interessen des schwäbischen Adels, der auf acht Pfründen und vier Anwartschaften seine Töchter standesgemäß unterbrachte. Das Stift schloss sich gegenüber dem Patriziat ab und führte bis zur Säkularisation 1802/03 den Titel ’Frei weltliches und adeliges Damenstift’. Dem Hochstift inkorporiert, übte das Stift die Grundherrschaft in den Ämtern Asch, Pfaffenhofen und Batzenhofen aus. Die Neubauten der Stiftskirche 1755-1757 und der Stiftsgebäude 1796-1802 führten zur Verschuldung. Franz Xaver Kleinhans war der Baumeister der Kirche, der Stuck stammte von Franz Xaver (I) Feichtmayr, die Plastiken von den Brüdern Verhelst und die Deckenfresken von Johann Balthasar Riepp. 1944 wurde die Klosteranlage völlig zerstört.
 
  • 2) Pfarrei. Bis 1809 war St. Stephan auch eine eigene, wenn auch sehr kleine, dem Damenstift inkorporierte Stadtpfarrei, zu deren Sprengel auch St. Gallus und die Pestkapelle St. Sebastian gehörte. Die Auspfarrung aus der Dompfarrei dürfte um 1200 erfolgt sein (an die Pfarrei erinnert der Straßenname ’Pfärrle’). Sie erstreckte sich vom heutigen Lueginslandgäßchen nach Süden bis zum Äußeren Pfaffengässchen (Lit. E 211), entlang der Stadtbefestigung bis zum Oblattertor und von dort östlich bis zum Oblatterwall und der Unteren Bleiche. Im Zuge der Neuordnung des katholischen Pfarrwesens 1809 wurde der Pfarrsprengel der Dompfarrei und der Pfarrei St. Georg zugeschlagen, die Kirche war den Gläubigen als sogenannte Nebenkirche der Dompfarrei weiterhin zugänglich.
 
  • 3) Benediktinerabtei. 1828 eröffnete König Ludwig I. von Bayern in den Stiftsgebäuden eine katholische Studienanstalt, bestehend aus Gymnasium (bei St. Stephan), Josefs-Internat und Lyceum (Philosophische Hochschule) als Nachfolgeinstitut des Jesuitenkollegs St. Salvator. 1835 übertrug er die Anstalt einer eigens zu diesem Zweck gegründeten Benediktinerabtei, der ersten nach der Säkularisation in Bayern. Erster Abt wurde der Ottobeurer Mönch Barnabas Huber. Der Konvent bestand anfangs vor allem aus vorübergehend in Augsburg tätigen Patres aus Österreich und der Schweiz. Der Abtei unterstellt war ein Priorat in Ottobeuren (seit 1918 selbständige Abtei) und zeitweise das bereits 1830 gegründete Priorat Metten. Die Benediktiner übernahmen die Kirche St. Stephan als Stifts- und Studienkirche und führten die Studienanstalt, erweitert um ein zweites Internat für die Erziehung adeliger Söhne (Ludwigsinstitut), zu überregionaler Bedeutung. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs Wiederaufbau von Kirche (1950/51, 1969) und Kloster (1954/66) durch die Abtei und des Gymnasiums (1960, erweitert 1983) durch den Freistaat Bayern. Die Philosophische Hochschule wurde 1969 aufgegeben. Äbte: Barnabas Huber (1835-1851), Theodor Gangauf (1851-1859), Raphael Mertl (1859-1889), Eugen Gebele (1889-1903), Theobald Labhardt (1903-1915), Placidus Glogger (1915-1941), Johannes Ruhland (1941-1970), Albert Brettner (1970-1987), Emmeram Kränkl (1987-2009) und Theodor Hausmann (seit 2009).
 
  • Stephansgasse, Stephansplatz (Bleich und Pfärrle, Amtlicher Stadtplan K 8).

Literatur:

Alfred Schröder, Alt St. Stephan in Augsburg, 1928

Ad Sanctum Stephanum, 1969

Franz Bernhard Weißhaar, Benediktinerstift St. Stephan Augsburg, 21976

Theodor Rolle, Die Gründung der Benediktinerabtei St. Stephan in Augsburg 1835, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 97 (1986), 32-125

Peter Rummel, Katholisches Leben in der Reichsstadt Augsburg (1650-1806), in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 18 (1984), 34-36

Georg Schwaiger, Die benediktinischen Klostergründungen König Ludwigs I. von Bayern, in: Andechs, 1993, 84-94

Emmeram Kränkl, Die Benediktinerabteikirche St. Stephan vor ihrer Zerstörung (1944), in: Stephania 76 (2004), S. 53-88

Thomas Groll, Zur Geschichte des adeligen Damenstifts bei St. Stephan in Augsburg (969-1803/06), in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 43 (2009), 647-712.

Damenstift St. Stephan