Oratorienverein Augsburg

Autor: Prof. Dr. Friedhelm Brusniak

Stand/Quelle/Datum: 26.08.2010

  • Seit Anfang des 19. Jahrhunderts war Augsburg eine Hochburg der Oratorienpflege in Süddeutschland. 1858 gliederte Johannes Rösle der Augsburger Liedertafel einen Frauenchor an und bereitete damit einer Institutionalisierung den Weg. 1862 lud der Kapellmeister der protestantischen Kirchen, Hans Michael Schletterer, Augsburger Bürgerinnen zu wöchentlichen Übungen im Chorsingen ein. 1866 gründete er den Oratorienverein, dessen erster Auftritt mit Händels ’Messias’ am 12.12.1866 zusammen mit dem Augsburger Männergesangverein stattfand. 1883 fand bereits das 100. Konzert statt. Zum Repertoire gehörten neben Händel und Bach, dessen große Passionen 1871 (’Matthäus-Passion’) und 1885 (’Johannes-Passion’) erstaufgeführt wurden, besonders auch W. A. Mozart und Mendelssohn-Bartholdy. Herausragende Ereignisse der frühen Jahre waren die vom Oratorienverein ausgerichteten drei Schwäbischen Musikfeste 1886, 1892 (Hans von Bülow dirigierte Beethovens ’Eroica’) und 1901. Eine besondere Blüte erlebte der Oratorienverein unter Schletterers Nachfolger Wilhelm Weber (1892-1918), der für Aufführungen symphonischer Musik das Münchner Kaim-Orchester (heute Münchner Philharmoniker) verpflichtete; Dirigenten waren u. a. Richard Strauss, Felix von Weingartner, Siegmund von Hausegger, Bruno Walter. Weber setzte die Händel-Pflege fort, führte erstmals Beethovens ’Missa solemnis’ (1897), Bachs ’Messe h-Moll’ (1899) und Mozarts ’Requiem’ (1900) auf und pflegte daneben zeitgenössische Musik. Innerhalb von 60 Jahren (bis 1926) bot der Oratorienverein 409 Konzerte mit 174 Oratorien, 135 Symphonien und 100 Kammermusikwerken. Auch unter Heinrich Kaspar Schmid (1925-1931) wurde zeitgenössische Musik gepflegt, u. a. Honegger und Arthur Piechler. Letzterer war Schmids Vetter und 1931-1951 dessen Nachfolger; 1934 dirigierte Hans Knappertsbusch die Augsburger Erstaufführung von dessen ’Tagewerk’. Am 7.10.1945 dirigierte Piechler in St. Ulrich und Afra Händels ’Judas Maccabäus’ vor 7000 Zuhörern und am 9.11.1945 in Dachau Brahms’ ’Deutsches Requiem’. Sein Nachfolger Karl Gößler brachte 1952 Orffs ’Carmina Burana’ in Anwesenheit des Komponisten und 1955 zur 1000-Jahr-Feier der Lechfeldschlacht Beethovens ’Missa solemnis’ in Anwesenheit von Bundespräsident Heuß zur Aufführung. Auch Werner Egk, Gottfried von Einem, Otto Jochum kamen zu Aufführungen ihrer Werke nach Augsburg oder hatten, wie Ermanno Wolf-Ferrari, direkten Kontakt zum Oratorienverein., der 1970 mit der Augsburger Liedertafel zum Philharmonischen Chor fusionierte.

Literatur:

Augsburger Tagblatt, 7.12.1866, 14.12.1866

Hans Michel Schletterer, Der Oratorienverein in Augsburg und seine ersten 100 Concerte, 1883

Gedenkblatt zum 50jährigen Bestehen des Oratorienvereins, 1916

100 Jahre Oratorienverein Augsburg, 1966

Franz Krautwurst / Wolfgang Zorn, Bibliographie des Schrifttums zur Musikgeschichte der Stadt Augsburg, 1989

Philharmonischer Chor Augsburg, 1993.