Augsburger Siegesaltar

Autor: Dr. Lothar Bakker

Stand/Quelle/Datum: 2. Auflage Druckausgabe

  • Im August 1992 bei Bauarbeiten am Gänsbühl in der Jakobervorstadt geborgener Victoria-Altar (Höhe 1,56 m), geweiht am 11.9.260 n. Chr., das bis jetzt bedeutendste Zeugnis Augsburgs zur Römerzeit (jetzt: Römisches Museum). Von erster Nutzung (222-235 n. Chr.?) nur die Einleitungsformel an das Kaiserhaus "In honorem domus divinae" und einige Buchstaben im Textfeld; nach Polierung des Schriftfeldes neuer 14-zeiliger Text, übersetzt: "Der geheiligten Göttin Victoria wegen der Barbaren des Stammes der Semnonen und [oder] Juthungen, am 8. und 7. Tag vor den Kalenden des Mai [24.-25.4.] niedergemacht und in die Flucht gejagt von den Soldaten der Provinz Rätien, von in Germanien stationierten [Truppen] und gleichwohl durch Landsleute; dabei wurden viele Tausende gefangener Italer herausgerissen. Mächtig seiner Gelübde [hat] Marcus Simplicinius Genialis, Ritter, als Statthalter eingesetzt, mit demselben Heer freudig nach Gebühr [das Denkmal] aufgestellt. Geweiht am 3. vor den Iden des September [11.9.], als der Herrscher, unser Herr, Postumus Augustus und Honoratianus Konsuln waren". Auf den Schmalseiten des Altars Reliefbilder des Kriegsgottes Mars und der geflügelten Victoria über einem gefesselten Barbaren. Die Zeilen 10/11 und 14 später bis auf Reste getilgt. Überliefert wird damit eine zweitägige Schlacht vor Augusta Vindelic(or)um am Lech (Fundort = Aufstellungsort des Altars) mit dem Sieg eines zusammengezogenen römischen Heeres (darin bewaffnete 'populares') über Semnonen / Juthungen, Kernstamm der elbgermanischen Sueben. Diese waren offensichtlich auf dem Rückweg von einem wohl im Herbst 259 bis Oberitalien geführten Plünderungszug, unterwegs mit Beute und Kriegsgefangenen aus Italien ('Italorum captivorum'). Der Sieg des Statthalters Genialis wurde von ihm unter Kaiser Gallienus errungen, der Altar aber erst nach Anerkennung des zwischenzeitlich in Köln ausgerufenen Gegenkaisers Postumus am 11.9. geweiht. Mit dieser Inschrift wird erstmals die Zugehörigkeit Rätiens zum 'Gallischen Sonderreich' des Postumus überliefert. Ebenso einmalig ist die Nennung 'Semnonum sive Iouthungorum', ein wichtiger Beleg für die Entstehung der Alamannen. Der 'Verrat' des Genialis an Kaiser Gallienus wurde später (263/265 n. Chr.?) durch die 'damnatio memoriae' mit den in zwei Schritten erfolgten Tilgungen seines Namens, seines Heeres, des Gegenkaisers Postumus und dessen Mitkonsuls Honoratianus 'gerächt'. Der Augsburger Siegesaltar bildet ein beredtes Dokument für den 'Untergang' des Limes unserer Provinz Rätien 259/260 n. Chr., die auf dem Höhepunkt stehende innenpolitische Krise des römischen Imperiums und die Ethnogenese der Alamannen, über Augsburg hinaus von höchstem Rang und bereits wenige Monaten nach der Auffindung international bekannt. In der Nähe der Fundstelle am Vincentinum wurde 1994 von der Stadtarchäologie eine Ufer-/Hafenbefestigung (3. Jahrhundert) des römischen Lech freigelegt; der Altar war offensichtlich auf der Sohle dieses Flußbettes bei der Auffindung angetroffen worden.

Literatur:

Lothar Bakker, Raetien unter Postumus, in: Germania 71 (1993), 369-386

Ders., in: Antike Welt 24 (1993), 274-277

H. Lavagne, in: Académie des Inscriptions et Belles-Lettres Paris: Comptes rendus des séances 1994, 431-446

Der Augsburger Siegesaltar, 1995

Lothar Bakker, Römische Schiffslände, in: Archäologie in Deutschland 11 (1995) H. 3, 39 f.

Hans-Jörg Kellner, in: Römer, 1995, 342-346: Timo Stickler, in: Bayerische Vorgeschichtsblätter 60 (1995), 231-249

Martin Jehne, in: ebenda 61 (1996), 185-206

Niederbieber, Postumus und der Limesfall, 1996

Die Alamannen, 1997, 63, 75

Ingemar König, in: Historia 46 (1997), 341-354

Karl Strobel, in: Spätrömische Befestigungsanlagen in den Rhein- und Donauprovinzen, 1998, 83- 93 Taf. 7.